Katastrophenschutz Bayern 2025 – vom Papier in die Praxis: Fachtagung Führen von Einsatzkräften des Münchner Roten Kreuzes
360 Führungskräfte der Einsatzorganisationen trafen sich in Großhadern zur 25. Fachtagung Führen von Einsatzkräften des Münchner Roten Kreuzes.
„Katastrophenschutz Bayern 2025 – vom Papier in die Praxis – was wird realisiert?“ hieß das Thema der 25. Münchner Fachtagung Führen von Einsatzkräften, zu der das Münchner Rote Kreuz am Samstag, den 9.11.2024 von 9 bis 17:30 Uhr ins Klinikum Großhadern eingeladen hatten.
Der Veranstaltungstitel bezieht sich auf das Konzept des Bayerischen Innenministeriums zur Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes auf Basis der Erkenntnisse aus vergangenen Einsatzanlässen. „Ich freue mich, dass unsere Fachtagung Führen von Einsatzkräften in den letzten 25 Jahren eine feste Größe in der Fortbildungslandschaft der Einsatzorganisationen geworden ist“, sagt Karl-Heinz Demenat, Vorsitzender des Münchner Roten Kreuzes. „Es ist immer wieder schön zu sehen, wie das ehrenamtliche Tagungsteam relevante Themen und Referent*innen zusammenstellt und einen wirklich schönen Rahmen für Lernen, Austausch und Vernetzung auch über München hinaus schafft."
Thomas Haas von den Maltesern stellte den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz für die Neuausrichtung des Verpflegungsdienstes in Bayern vor. Der aktuelle Ausstattungsstand genüge den alltäglichen Herausforderungen nicht mehr. Das Konzept sieht eine Ergänzung der vorhandenen Verpflegungseinheiten um zentrale Unterstützungseinheiten auf Bezirks- und Landesebene sowie eine grundlegende Überarbeitung der Ausstattung der Schnelleinsatzgruppen Verpflegung durch schwerere LKW, moderne Feldkochherde und Mannschaftstransportfahrzeuge mit Kühlanhänger vor. Einige Feldkochherde wurden bereits für einen Pilotbetrieb beschafft, für einige Fahrzeuge ist die Ausschreibung in Arbeit; die übrigen Komponenten befinden sich noch in der Konzeption.
Sabrina Bagus vom Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes stellte die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vor, die sich aus der Evaluation des Hochwassereinsatzes 2021 im Ahrtal ergeben haben. Der Einsatz bot nicht nur inhaltliche, sondern auch organisatorische Herausforderungen für das Rote Kreuz, weil neben den behördlichen Einsatzaufträgen auch Einsätze aus eigenem Antrieb durchgeführt wurden und die Rotkreuzarbeit über Landesverbandsgrenzen hinaus koordiniert werden musste. Die Handlungsempfehlungen umfassen die Stärkung des komplexen Hilfeleistungssystems, die Organisationsstrukturen bei großen Einsätzen, technische Unterstützung für Ressourcen- und Personalmanagement sowie Einsatzinformation, die Stärkung der Einsatzkräfteunterstützung, die strukturierte Einbindung von Spontanhelfenden, die Initiation eines bundesweiten Wissensmanagement-Prozesses und die Stärkung und Harmonisierung der Aus- und Fortbildung. Diese strategischen Handlungsempfehlungen werden um einsatztaktische ergänzt und sind für alle Rotkreuzgliederungen bis 2030 verbindlich umzusetzen.
Hardy Häusler, Geschäftsführer des DRK-Kreisverband Schöneberg-Wilmersdorf stellte gemeinsam mit Stefan Prechler von T-Systems die Ergebnisse des Forschungsprojekts KathelferPro vor, das eine Schnittstelle zwischen Software zur Einsatzführung und Software zur Koordination von Spontanhelfer*innen in Katastropheneinsätzen entwickelt. Die Kernidee ist, auf beiden Seiten im Vorfeld etablierte Softwarelösungen zu nutzen und nur im Einsatzfall eine technische Brücke zu bauen, um die zahlreichen Hilfsangebote aus der Bevölkerung und den Unterstützungsbedarf der Einsatzorganisationen sinnvoll abzugleichen und zusammenzubringen. Neben der technischen Komponente wurden im Projekt auch Konzepte, Schulungsformate und Prozessbeschreibungen entwickelt, die auf diversen Forschungsergebnissen der Vergangenheit aufbauen und Einsatzorganisationen und Katastrophenschutzbehörden konkret beim koordinierten Einsatz von Spontanhelfenden unterstützen. Die Projektergebnisse evaluierte das Projektkonsortium in begleitenden Praxisübungen.
Prof. Dr. Bernd Resch von der Universität Salzburg berichtete über die Ergebnisse des Projekts AIFER ("Artificial Intelligence for Emergency Response"), das mit Partnern aus Forschung, Einsatzorganisationen und Industrie durchgeführt wurde. Im Projekt werden georeferenzierte social media-Inhalte mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet und in Echtzeit für die Einsatzsteuerung aufbereitet. Dabei können auch andere Fachdaten wie Wetter- und Hochwasserkarten oder Luftbilder integriert werden.
Daniel Pröbstl, Co-Geschäftsführer des Bayerischen Zentrums für besondere Einsatzlagen (BayZBE) berichtete von der inhaltlichen und baulichen Weiterentwicklung des Trainingszentrums in Windischeschenbach, in dem berufliche und ehrenamtliche Einsatzkräfte seit 2019 intensiv und praxisnah Einsätze abseits der Routine üben können. Die Erfahrung seitdem sowie eine intensive Bedarfsanalyse und auch die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen führten nun zur Erweiterung um 2 weitere Trainingsbereiche. Einer bildet eine Notaufnahme ab, um nach Notfalleinsätzen auch die Übergabe und Schnittstelle zur Klinik professionell abbilden und beüben zu können. Ein weiterer, der 2026 fertiggestellt werden soll und im Außenbereich verschiedenste Übungsszenarien abbilden wird, von der Autobahn über Trümmerfeld, Bahnhof, Hubschrauberabsturz bis hin zur Wasserfläche, einem kleinen Wald und einem Innovationsbereich. Dort soll auch mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Industrie einsatzunterstützende Technik anwendungsorientiert erprobt werden.
Prof. Dr. Peter Bradl von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt sensibilisierte die Teilnehmer*innen für den besonderen Bedarf von vulnerablen Gruppen im Katastrophenschutz. Er ging auf verschiedene Forschungserkenntnisse ein, die jedoch praxistauglich für den Einsatz aufbereitet werden müssen, etwa in Form von Checklisten und Taschenkarten. Er warb auch für das Notfallregister, in dem sich Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen registrieren können, um in großen Schadenslagen bedarfsgerecht versorgt zu werden. Er sprach sich für ein systematisches Mitdenken dieser Personengruppe in großen Einsätzen und eine konkrete konzeptionelle und logistische Vorbereitung und regelmäßige Berücksichtigung in Übungen aus.
Jörg Häusler von der Bergwacht des Bayerischen Roten Kreuzes stellte die Einsatzmöglichkeiten und Spezialfähigkeiten der Bergwacht im Katastrophenschutz vor. Am Beispiel eines Waldbrandes in der Sächsischen Schweiz und auch dem Hochwasser im Ahrtal sowie internationaler Unterstützungseinsätze ging er auf die Möglichkeiten zur Erkundung, Logistik und Sicherung in unwegsamem Gelände auch abseits klassischer Berglandschaften ein. Er warb für den gezielten Einsatz der Fähigkeiten und Ausstattung der Bergwacht in großen Schadenslagen und Synergien mit anderen Spezialkräften. Voraussetzung sei jedoch, die entsprechenden Fähigkeiten zu kennen, Analogien zu konkreten Einsatzanlässen zu bilden und integrierte Sicherheit konzeptionell vorzuplanen.
Dr. Robert Stöhr, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Landkreis Leipzig teilte seine Erfahrungen aus dem Einsatz nach dem Brand eines Riesenrades auf dem Highfield-Festival bei Leipzig. Auf dem Festival mit 30.000 Besucher*innen brach um 21:10 Uhr in zwei Gondeln des Riesenrades ein Feuer aus. Die brennenden Gondeln wurden sofort evakuiert, dennoch kam es zu vielen Panikreaktionen, die auch zu Sprüngen aus nicht brennenden Gondeln mit erheblichen Verletzungen führte. Zudem kam es zu Brandverletzungen und Beeinträchtigungen durch Brandrauch. Er stellte anschaulich die örtlichen Gegebenheiten und die im Nachgang identifizierten Schwachstellen sowie die besonders intensive Zusammenarbeit zwischen Rettungskräften, Sicherheitsdienst, Feuerwehr und Polizei auf dem Gelände dar.
Im Jahr 2024 fand die Fachtagung "Führen von Einsatzkräften" bereits zum 25. Mal statt, in Präsenz im Klinikum Großhadern mit ergänzendem Livestream. Sie dient der Fortbildung sowie dem Erfahrungsaustausch von ehrenamtlichen und beruflichen Führungskräften der Hilfs- und Einsatzorganisationen. Eine begleitende Industrieausstellung informierte über einsatzrelevante Produkte und trug so zur Finanzierung der Veranstaltung maßgeblich bei. Das Jubiläum würdigten Karl-Heinz Demenat, Vorsitzender des Münchner Roten Kreuzes und Kreisbereitschaftsleiter Jürgen Terstappen in ihren Grußworten. Sie dankten insbesondere Volker Ruland für die professionelle Durchführung der Tagung seit 1999 mit seinem engagierten ehrenamtlichen Tagungsteam. Unter den besonders langjährigen Teilnehmer*innen verlosten die Veranstalter hochwertige Präsente und bedankten sich damit stellvertretend für das anhaltend hohe Interesse an der Veranstaltungsreihe.
Weitere Informationen finden Sie auf der Fachtagungs-Webseite.